28. Mai 2018

Als die Puppe sprechen lernte…

Menschen mit Behinderung, besondere Menschen, Menschen mit speziellen Bedürfnissen, Menschen mit Gefühlen, Menschen mit Wünschen, Träumen, Sehnsüchten…

Mein Name ist Tabea Jacob. Seit August 2017 mache ich eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin an der DPFA in Zwickau. Zu dieser Ausbildung gehört auch das Absolvieren verschiedener Praktika in selbst gewählten Einrichtungen für Menschen mit Behinderung. Derzeit mache ich ein Praktikum in der „Wohnstätte Altplanitz“, einem Wohnheim für Menschen mit Behinderung. Während dieser Zeit konnte ich bereits unglaublich viel über das Zusammenleben in einem Wohnheim und den Umgang mit besonderen Menschen lernen. Zum erfolgreichen Abschließen des Praktikums gehört auch das Sichten eines geplanten Angebotes. Hierfür wird das Angebot schriftlich geplant und an einem feststehenden Termin umgesetzt. Anschließend kommt es zur Bewertung durch die Lehrerin der DPFA und meine Praxisanleiterin.

Nachdem ich lange halbwegs planlos überlegt hatte, welches Thema meine Sichtstunde haben sollte, stieß ich rein zufällig auf eine Idee…

An einem Sonntag brachte ich die von mir auf „Lotta“ getaufte Handpuppe und meine Gitarre mit in das Wohnheim. Die Wochenenden sind oft recht entspannt. Einige Bewohner machen selbständig oder in Begleitung Ausflüge, besuchen Freunde oder Familienmitglieder oder ruhen sich aus. An jenem Tag hatte ich noch keinen Plan für die Nachmittagsgestaltung. Ich setzte mich einfach mit der Handpuppe zu den Bewohnern und ließ sie sprechen. Die Reaktionen darauf waren unglaublich. Anfangs noch schüchtern antworteten die Bewohner auf Fragen meinerseits, später wurde das Gespräch immer besser. Ich gab die Handpuppe dann an die Bewohner weiter um die Hände zum Gitarre spielen frei zu haben. Während ich nun die Gitarre holte und in meinen Liederbüchern die von den Bewohnern gewünschten Lieder suchte, begann einer der Bewohner mit der Handpuppe zu sprechen. Und nicht nur das. Er bewegte passend zu seinen Wörtern den Mund der Handpuppe und sprach deutlich in ganzen Sätzen. Das Sprechen mit Hilfe von „Lotta“ ging so weit, dass von besagtem Bewohner aus sogar in dritter Person über die Anderen gesprochen wurde. Das klingt alles nach nichts Besonderem. Wenn man aber den Bewohner in seinem normalen Alltag kennt ist eine Veränderung der Kommunikation um 360 Grad zu sehen. Ohne die Handpuppe sind Gespräche mit dem Bewohner einsilbig, Antworten auf Fragen kommen oft extrem zeitverzögert und auch erst nach mehrmaligem Nachfragen. Andere Bewohner und Mitarbeiter waren über diese Veränderung gleich überrascht.

Die Sichtstunde verlief dann ähnlich. Um meiner Lehrerin den Unterschied in der Kommunikation ohne und mit Handpuppe deutlich zu machen, ließ ich den Bewohner erst ohne „Lotta“ ein paar Fragen beantworten. Sehr einsilbig und extrem leise antwortete er wie gewohnt erst nach mehrmaligem Nachfragen. Dann brachte ich meine Handpuppe mit ins Spiel. Und schon war der Schalter umgelegt. Er sprach lauter, die Antworten auf meine Fragen waren deutlicher und er antwortete in ganzen Sätzen… Die Lehrerin war sehr positiv über diese Änderung der Kommunikation überrascht. Die Sichtstunde verlief super, natürlich hauptsächlich durch die Teilnahme und das „Sich-auf-alles-einlassen“ der Bewohner.

Für diese Erfahrung bin ich sehr dankbar. Diese Erfahrung teile ich sehr gern, um zu verdeutlichen, dass es völlig egal ist wie ein Mensch ist. Es gibt immer eine Möglichkeit, jemanden aus einem für sich selbst gewählten Mäuseloch zu locken. Egal mit welchen Mitteln. Hauptsache alle haben Freude daran, können sich dadurch öffnen, werden ernst genommen und haben ein lebenswertes Leben. Jeder Mensch ist genau so gewollt wie er oder sie eben ist. Und jeder Mensch ist besonders!